Friedrich Taubmann – der Eulenspiegel aus Wonsees
Der Taubmann-Brunnen vor dem Rathaus
Bericht: Fränkischer Sonntag, 26.Mai 2001
Friedrich Taubmann wäre heute ein Star der Talkshows.
Er wurde einfach zu früh geboren. Um rund 400 Jahre. Sonst brächte er in die immer unsäglicher werdenden Talkshows des Fernsehens mehr Bildung und mehr Witz, auch in pointierteren Sendungen wie dem „Scheibenwischer“ oder den „Mitternachtsspitzen“ wäre er willkommen. Und so manchem platten Internet-Chat würde er Glanzlichter aufsetzen, der Friedrich Taubmann.
Neben Hans Sachs ist er der zweite Schusterbub, dessen Leben und Wirken das Vorurteil vom „tumben“ Franken widerlegt, der schafsgeduldig durchs Leben trottet, sich wechselweise dem Bier und dem Wein ergibt und stets einen schicksalsergebenen Untertanen abgibt. Sein Scharfsinn, seine Klugheit und sein Humor machten Taubmann zu einem der berühmtesten Literaten des 17. Jahrhunderts, er freute sich selbst an seinen geschliffenen Wortspielen, manchmal freilich so sehr, dass er Ausdruck vor Inhalt stellte - in unserer real existierenden Medienwelt wäre das kein Widerspruch.
Allerdings: Wer kennt Taubmann heute noch? Jean Paul setzt ihn auf eine Stufe mit Eulenspiegel, 1830 fragt der „Brockhaus“: „Wer kennt ihn nicht als Lustigmacher?“ Zum Beispiel „Der große Herder“ von 1956 oder die CD von Meyers Taschenlexikon (1999) haben Taubmann ausgegrenzt. Immerhin bringt die Volltextsuche im Internet ein paar Dutzend Einträge. Wenn man die Niederschriften über den Veldener Stadtrat (dem ein Lokalpolitiker dieses Namens angehört) weggeblendet hat, finden sich doch einige Spuren des am 15. oder 16. Mal 1565 in Wonsees geborenen Schalks und Späthumanisten, um seine Lebensgeschichte nachzuzeichnen - vor allem dank des Semiotikers Dr. Dieter Münch, dessen 1984 zu einer Taubmann-Ausstellung auf Burg Zwernitz erschienene Schrift Aufschluss gibt über Leben und Werk Taubmanns.
Der in seinem Geburtsort ebensowenig wie von den Gralshütern der Fränkischen Schweiz vergessen ist: Michel Hofmann oder Erich Arneth schätzten Taubmann außerordentlich, die Wonseeser bauten ihm zu Ehren - und der Dorferneuerung zum Dank - einen Brunnen mitten in den Ort, den der Hollfelder Christian Degen aus Trebgaster Sandstein geschaffen hat.
Es macht einen tieferen Sinn, dass in dieser nördlichen Bastion der Fränkischen Schweiz steinerne Bücher rund um den Brunnen aufgeschichtet sind: Denn ohne Bücher wäre es nie zu diesem Namen für den einstmaligen „Ritterkanton Gebürg“ gekommen, er ist eine Erfindung der Romantik, deren Wesen Taubmann sicherlich gefallen hätte.
Die aber lag noch zwei Jahrhunderte vor ihm. Taubmann, der seine Eltern früh verlor und seine Stiefeltem stets hoch achtete, kam 1578 ans Kulmbacher „Lyzeum“, das heutige Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium, an dem sich Thomas Gottschalk seine humanistische Bildung holte - womöglich auch einiges von taubmann‘scher Schlagfertigkeit und Improvisationskunst, die dem schlaksigen Showmaster helfen in seinen Begegnungen mit den Stars dieser Welt. Wetten dass!
Thommy aber hat gegenüber Taubmann einen unschätzbaren Vorteil (für uns TV-Konsumenten): Er behält sein Latein für sich, der Wonseeser jedoch schrieb nur in dieser Gelehrtensprache. Das ist denn auch das Geheimnis seiner verlorengegangenen Popularität, sozusagen seines Quotenverlustes. Es müsste sich ein Bearbeiter finden, der seine Werke ins heutige Verständnis transformiert - wie er sich selbst als Philologe beispielhaft Plautus‘ oder Vergils angenommen hatte
Aber nicht so schnell voran in seiner Vita! Taubmann, der mit seinem beweglichen und freimütigen Geist schnell die Anerkennung seiner Ausbilder fand, wechselte 1582 mit seinem Rektor Johann Codomann als einer der ersten Stipendiaten ans neu gegründete markgräfliche Gymnasium nach Heilsbronn, 1592 wurde dem inzwischen literarisch hervorgetretenen jungen Mann, der schon als Schüler die komischen Epen „Bacchanalia“ und „Martinalia“ geschrieben hatte, die Ehre der Dichterkrönung zuteil.
Ebenfalls 1592 wurde er an der Universität Wittenberg immatrikuliert, 1595 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Poesie an dieser Universität, den er bis zu seinem Tod inne hatte. Er schrieb in seinen Epen humanistische Gelehrtenliteratur und wies in seinen Gedichten mit ihrem spielerischen Charakter und der reichen Rhetorik schon voraus ins Barock. Seine Improvisationskunst bescherte ihm am sächsischen Hof sogar den Titel „kurtzweiliger Rat“. Er gefiel sich durchaus in der Hofnarrenrolle, die ihm den Umgang mit den Mächtigen seiner Zeit - das waren Markgrafen und Kurfürsten - leicht machte. Persönlichen Mut hatte der mächtige Mann mit seiner hohen Stirn, dem zurückgekämmten Haar und dem ausdrucksstarken Mund sowieso.
Zum Bestseller sollte die „Taubmanniana“ genannte Sammlung seiner Anekdoten werden, die von 1702 bis 1746 zehn Auflagen erlebte. Da war der Poet, Philologe und „kurtzweilige Rat“ schon lange tot: Er starb am 24. März 1613 erst 48-jährig im Bewusstsein, ein gutes Werk zu tun: "Die Maden müssen auch einmal etwas Gutes haben.“
Als Kurfürst Christian II. prahlte, er besitze alles, an seinem Hofe fehle nicht das Geringste, wandte er ein: „Doch, die Wahrheit!“ So erklärte Taubmann sein gutes Auskommen am Hofe: „Das ist sehr einfach, man braucht nur jeden zu ehren und keinem zu trauen.“
Ein Höfling mokierte sich über den kräftigen Mann: „Habt Ihr aber große Hände. Die würden sich gut zum Dreschen eignen. Taubmann reichte ihm seine Pranke: „Sehr richtig, ich habe ja den Flegel schon in der Hand.“
Als Taubmann von einem Juristen wegen seines Heißhungers gestichelt wurde: „Ja, mein Magen steht eben immer offen, wie ein Advokatenbeutel.“ Über die Freundschaft der Gelehrten sagte Taubmann, sie entstehe aus Züchten und Tugenden, die der Edelleute aus Fressen und Saufen und die der Kaufleute aus Eigennutz.